1. Frau Pop, warum zieht es Industrieunternehmen wieder zurück in die Städte?

Was wir schon seit Jahren beobachten, ist, dass Städte immer mehr Einwohnerinnen und Einwohner gewinnen. Nicht, wie in den meisten Entwicklungsländern, aus Armutsgründen oder Perspektivlosigkeit. Nein, es sind vor allem qualifizierte, häufig junge Menschen, die heute in Städten Freiräume für Kreativität, für ganz neue Entfaltungsmöglichkeiten suchen. Kurze Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, hohe Lebensqualität, gute Infrastruktur für den alltäglichen Bedarf und Kulturangebote sind zentrale Kriterien bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber. Und dies vor allem in den Branchen, die das Tempo der Wirtschaft bestimmen. Berlin zählt mittlerweile zu den attraktivsten Standorten für Fachkräfte der Digitalwirtschaft. Mehr als 70.000 Menschen arbeiten heute bereits in der Berliner Digitalwirtschaft, bis 2030 könnte sich diese Zahl sogar verdreifachen. Wir haben also das Potenzial an Talenten und Fachkräften und die Unternehmen wissen, dass sie hier in Berlin qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insbesondere für die digitale Arbeitswelt finden. Und sie wissen auch, dass hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Mangelware sind. Das heißt, dass immer mehr Unternehmen bei ihren Standortentscheidungen den benötigten Fachkräften folgen – und nicht umgekehrt. Unternehmen, auch die der Industrie, suchen also wieder die Nähe zu Städten, um für qualifiziertes Personal attraktiv zu sein.

 

2. Berlin war noch im vergangenen Jahr auf einem tollen Wachstumspfad und Hotspot für Startups – dann kam Corona. Wie geht es weiter mit dem Wirtschafts- und Innovationsstandort Berlin?

Die Corona-Pandemie hat die Berliner Wirtschaft mit voller Wucht und in der ganzen Breite erwischt. Nahezu alle Wirtschaftsbereiche sind – natürlich in unterschiedlicher Intensität – von der Krise betroffen. Ziemlich deutlich zeichnet sich ab, dass sich nun, nach den ersten Lockerungen, die einzelnen Branchen sehr unterschiedlich entwickeln werden. In der Gastronomie und Hotellerie, bei Messen und Kongressen, in der Kulturwirtschaft wissen wir, dass es länger dauern wird, bis wieder so etwas wie Normalität einkehren kann. In anderen Branchen könnte es schneller gehen, sofern sich geschäftliche Routinen auf der Angebots- und Nachfrageseite wieder einstellen. In der Digitalwirtschaft z.B. ist punktuell bereits Wachstum zu verzeichnen.

Wir haben auf die Pandemie wirtschaftspolitisch sehr schnell mit Soforthilfen reagiert und so unbürokratisch rund 420.000 Arbeitsplätze gestützt und jetzt mit einem gezielten, 500 Mio. Euro starken, Konjunkturpaket nachgelegt. Zusätzlich zu den Programmen des Bundes übernehmen wir so Verantwortung, um die Berliner Wirtschaft weiter zu stabilisieren und sie für den Neustart nach Corona fit zu machen. Wir werden gewerbliche Mieten kleiner und mittlerer Unternehmen mit bis zu 90 Mio. € fördern. Dafür legen wir eine Soforthilfe auf, die im Einzelantragsverfahren gewerbliche Mieten mit einem 50-prozentigen Zuschuss überbrückt. Neben einer Ausweitung der Liquiditätshilfen für kleine und mittlere Unternehmen werden wir beispielsweise einen Kongressfonds zur Förderung der Messe- und Veranstaltungsbranche auflegen. Gemeinsam mit dem Bund werden wir die durch die Corona-Pandemie in Not geratenen Unternehmen, Selbstständige und Startups auch zukünftig nicht alleine lassen.

 

3. Die Bekämpfung der Pandemie hat zuletzt alle Kräfte gebündelt. Dadurch geriet ein Thema in den Hintergrund, das die politische Diskussion der vergangenen Jahre maßgeblich dominierte, die Klimakrise. Wie reagiert Ihre Konferenz darauf?

Urban Tech bedeutet für mich ganz klar auch, Lösungen zu finden, die dazu beitragen, die Klimakrise zu bewältigen. Ja, ich möchte sogar so weit gehen, zu sagen, dass Urbane Produktion vor allem dort interessant ist, wo Produktion, Dienstleistung und Logistik emissionsarm erfolgen können. Gerade CO2-Emissionen werden mehr und mehr zu einer standortrelevanten Herausforderung wachsender Städte. Daher setzen wir in Berlin auch hier mit unserem Masterplan Solar City ganz konkret an. Die relevanten Handlungsstränge lauten hier: Mehr Solaranlagen auf die Dächer, bessere Bedingungen für den Mieterstrom und intelligentere Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung. Oder nehmen Sie die Elektromobilität. Berlin gilt schon heute nicht nur bundesweit als die Schmiede für innovative und nachhaltige Mobilitäts- und Verkehrssysteme. Wir sind das größte Praxislabor für Elektromobilität in Deutschland. Beide Themen – Solarenergie und Elektromobilität – werden heute im urbanen Umfeld ganz neu gedacht, mit innovativen, digitalbasierten Ideen und Konzepten. Und weil Berlin hier ganz vorne mitspielt, sehe ich sehr große Chancen für die Stadt und die Unternehmen vor Ort, sich auftuende Potenziale aufzugreifen und zu nutzen.

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